Arianes Kaffeereise – Teil 2

Was beim letzten Mal geschah:
Kaffee ist Kunst! Dass Kaffee viel mehr ist, als eine Tasse, lehrten mich die musikerfüllten Straßen Dublins mit seinen kultigen Cafés. Die Kunstwerke in der Tasse beobachtend, genoss ich den Kaffee außerhalb des Hauses und schätzte ihn als „meinen Kaffeemoment“. Der Aufenthalt in meiner zweiten Heimat Mendoza in Argentinien schenkte mir die Zeit, die es brauchte, um den Kaffee zu genießen, und deutete außerdem auf die Verwurzelung hin, die eine Tasse Kaffee unter den Palmen unseres Gartens getrunken, spüren ließ.

In diesem Artikel geht es um die Geschichten des Kaffees, eine im Büro stehende Kaffeemaschine, und ein paar Croissantkrümel auf einem Teller in einem Café.

Kaffee auf Knopfdruck

Der Kaffee kam anonym und auf Knopfdruck, steril in einer weißen Tasse, die gerade so zwischen die Unterlagen auf dem blank gewischten, meterlangen Tisch im Meetingraum passte, ohne auffällig oder störend zu sein. Gelegentlich fiel eine solche Tasse um, und beanspruchte somit plötzlich jede Menge Aufmerksamkeit für sich – etwas, was ihr, wie ich fand, durchaus zustand.

Ich sehnte mich nach den Morgenden, an welchen ich schuhlos, die Haare lockig und an der Luft trocknend, die French Press in der Hand, über die mehreckigen Kacheln in dunklem braunrot der Terrasse zum wild wachsenden Rasen lief, wo, im Schatten der Bäume stehend, ein Holztisch auf mich wartete, den ich als Schreibtisch umfunktioniert hatte.

Im Büro, an einem noch eisigen Morgen im April, erinnerte daran nicht viel. Meine Schuhe pressten mich auf den edlen Parkettboden im Gang, ich hüpfte nicht, ich ging gemäßigt. Alles andere hätte auch den Kaffee über den Tassenrand gekippt.

Den Kaffee, den es im Büro gab, fand ich schwach – er schmeckte nach nichts, außer Koffein. Vermutlich, weil man dieses zur endlosen Produktivität brauchte – die Gedanken an das Erkunden der Kaffeenoten hätten nur abgelenkt. Oft bekam ich davon Kopfweh und schüttete deshalb jede Menge – wie ich gelernt hatte, korrekterweise zu sagen – Mandelsaft hinzu. Es war genau genommen eine große Menge Wasser mit zwei bis drei gemahlenen Mandeln, ökologischer Anbau, glutenfrei, zertifiziert, geprüft, geschützt, und mit jeder Menge Siegeln obendrein, und auch sehr teuer.

Kaffee, Kolonialismus, und die Idee eines Affen

Die Kaffeebohnen kullerten aus einer Packung, die mit einem Affen geziert war. Das heißt, es war die Idee eines Affen, dem, ganz den Kolonialismus repräsentierend, die Verkleidung eines britischen Gentleman aufgedrückt worden war. Er trug Mantel, Anzug, Schuhe, Regenschirm, Gehstock, Hut und trank seine Tasse Espresso.

In der Welt hatte sich ein kleiner Teil alles zu eigen gemacht und mit seinen Ideen übergestülpt. Man hatte europäisiert, was nicht ferner hätte von Europa liegen können – und tat es noch immer. Man hielt den Kolonialismus für abgestempelt und vergangen, und schaute in eine andere Richtung, wenn es zu den Themen Ausbeutung und Import aus fernen Ländern kam. Der Kaffee hätte hier einen ganzen Roman erzählen können, aber man ließ ihn nicht. Und so blieb es bei der Packung mit der europäisierten Idee eines Affen als einzige Erinnerung daran, dass es Dinge gab, die einem nicht zu gehören hatten.

Kaffee mit Geschichten

In der Mittagspause ging ich an die frische Luft. Durch Zufall entdeckte ich einen Kaffee, der, wie ein Pfau inmitten von Asphalt erschien. Einer, welcher sich nicht davon abhalten ließ, gemütlich und großartig einen Schritt vor den anderen zu setzen. Ich traf mich mit Maroua und Jesko, welche diesen Kaffee erfunden hatten. Während ich mein Croissant frühstückte und es auf den Teller bröselte, ließen sie mich teilhaben an den Geschichten, die ihr Kaffee erzählte. Sie sprachen von Dingen wie Diversität und Vielfalt, und besonders, von Freundschaft und Zeit. Inmitten einer schnellen Welt, in welcher ich meinen Atem schnappte und besorgt beobachtete, dass man den Kaffee mit seinen vielen Worten nur wenig atmen ließ. Inmitten dieser Welt hatten sie mir so etwas wie Hoffnung gegeben. Der Kaffee von Maroua und Jesko war anders und strebte danach, Wurzeln zu schlagen. Eben so, wie der Kaffee in Mendoza es mir gezeigt hatte.

Kaffee, Zeit und Worte

Ein Bürokaffee hatte Sinn und Zweckhaftigkeit, aber er hatte seine Geschichte verloren. Es stand kein Raum zur Verfügung, und schon gar keine Zeit, um den Kaffee seine Worte sprechen zu lassen. Er war zur Nebensache geworden, und landete nicht selten, ungetrunken, in der Spüle der Büroküche. Selbst die Bohnen schienen gewaschen, gereinigt, steril. Wenn ich an der Reihe war, den Behälter aufzufüllen, dachte ich nur daran, die teure Kaffeemaschine nicht kaputt zu machen – nicht daran, was die Bohnen wohl zu sagen hätten. Und eben deshalb, dachte ich, fiel eine Tasse mal um, und ergoss sich über alle Blätter und elektronischen Bildschirme, Stifte und Terminplaner. Das war wohl ihre Art zu sagen, dass sie existierte.

In Mendoza hatte ich dem Kaffee beim Brühen zugehört. Seine Erzählungen hatten sich unter die Geräusche der Bäume gemischt, waren zu einem verschmolzen, wie das Schlückchen Milch, das erst als abgrenzbarer Fluss in der Tasse zu sehen war, bevor es eins mit dem Kaffee wurde. Eine Art Kompromiss, oder einfach nur ein Miteinander, ein Einssein, was in einer Welt, die mir sagte ich sei größer als das wir, nicht mehr ganz so leicht zu verstehen war.

Ich nahm die zu einem Viertel gefüllte Tasse von der Maschine, goss den Mandelsaft darauf und lief zurück an meinen Büroschreibtisch, dessen Füße nicht knarzten, der nicht vom Regen gezeichnet war, dessen nicht vorhandene Kratzer auf dem Holz keine Geschichten erzählen konnten, der lediglich seinen Zweck erfüllte und nicht darüber hinausdachte.

Rebellisch feiernder Kaffee aus Mexiko

Einmal nahm ich meine Aeropress und aus Mexiko mitgebrachten, gemahlenen Kaffee mit in die Büroküche. Die Aeropress explodierte, der Kaffee verteilte sich auf dem gesamten Boden, der Spüle, auf meinem Hemd. Die Küche war für fünf Minuten blockiert, alle anstehenden Kaffeetassen, die darauf warteten, gefüllt zu werden, mussten warten. Der mexikanische Kaffee hatte rebelliert, oder einfach nur gefeiert. Ich ließ ihn von da an in meiner Wohnung.

Es sollte noch einige Monate dauern, bis ich mexikanischen Kaffee wirklich kennen lernte.